HII – Strassburg, die Kronprinzessin Mary von Dänemark und der Memory-Stick
Den 1. Teil der Geschichte gibt’s hier nachzulesen:
Seinen letzten Tag in Tallinn verbringt der Schweizer im blauen Mantel hin und hergerissen zwischen der Freude über den Sieg seiner Unihockeymannschaft und der Angst, was wohl geschehen wird, wenn er ohne Memory-Stick in die Schweiz zurückkehrt. Gerade letzteres bereitet ihm grosse Sorgen, hängt davon doch, im Gegensatz zum Unihockeyspiel, seine ganze Existenz ab. Aussichten auf ein erfolgreiches Zurückerlangen des kleinen schwarzen Objekts der Begierde, welches doch so hübsch blau leuchtet, wenn man es beim USB-Port einsteckt, sieht er keine mehr. So macht sich der Mann gegen Abend, ohne Memory-Stick, in Richtung Flughafen von Tallinn auf. Dort angekommen, kommt ihm der Betonbau noch trostloser vor als bei seiner Ankunft. Er fühlt sich in die Provinz zurückversetzt, ein Gefühl, wie wenn er ein Flugzeug ab Bern-Belpmoos nehmen würde. Die Business-Lounge, kein Vergleich zu jener in Frankfurt. Das Salat-Buffet halb leer, frisches Bier vom Zapfhahnen gibt es keines und zwei schwarze Oliven migrierten zu den dunklen Trauben, was dem Mann, ganz zu seinem Leidwesen, erst beim reinbeissen ersichtlich wurde. Die Möblierung erinnert ihn ausserdem an den schlechten Geschmack der Einkäufer des Bundesamtes für Bauten und Logistik, als diese in den 60er Jahren die Schweizer Botschaften weltweit mit einer neuen Einrichtung ausstatteten. Einrichtungsgegenstände, die man bis heute noch in unzähligen Büros und Wohnungen bestaunen muss. In einem ockerfarbig gepolsterten Sessel sitzend, versucht er sich zu beruhigen und redet sich ein, dass jetzt erst einmal Ausruhen und kühlen Kopf bewahren angesagt sei. Er setzt sein Smartphone in den Flugmodus und versucht, während den nächsten drei Stunden an etwas anderes zu denken.
ZÜRICH FLUGHAFEN, der Mann weiss nicht recht, ob er sich jetzt freuen sollte wieder Zuhause zu sein oder es das Beste wäre, gleich wieder rechtsumkehrt zu machen. Noch in Gedanken versunken und dem Eindruck nachhängend, die die riesigen Flugzeuge beim Umsteigen am Flughafen von Frankfurt auf ihn gemacht hatten, stellt er sein Smartphone auf Empfang. Es piepst kurz, vibriert und dann steht dort: „Ich weiss wo ihr Memory-Stick ist. Trinken Sie bei ihrer Reise nach Strassburg einen Kaffee am Migros Take Away im Bhf Basel und sie werden den Ort und die Zeit der Übergabe erfahren. Tragen Sie eine rote Krawatte in Strassburg. Betrachten Sie dies als eine Dienstleistung für einen Freund.“ Der Schweizer versucht die angezeigte 079er-Nummer anzurufen, nach dem obligaten Swisscom-Jingle kommt aber nur die Meldung, dass der gewählte Anschluss nicht mehr aktiv sei. Er ist sich nicht sicher, was er jetzt mit dieser Information genau anfangen sollte. Tatsache aber ist, dass er tatsächlich geschäftlich eine Reise nach Strassburg geplant hat.
Um 17:00 Uhr steht er mit seinem blauen Wintermantel – dem einzigen Wintermantel den er besitzt – auf dem Bahngleis und wartet auf den Zug, den ihn via Basel nach Strassburg bringen sollte. Er hat sich entschieden, diese letzte Möglichkeit für das Zurückbekommen des Memory-Sticks wahrzunehmen. Seinen Kollegen im Unihockeyteam und jenen im Büro hat er noch nichts von dessen Verschwinden erzählt. Eine Stunde später kommt er in Basel an und macht sich schnurstracks auf in Richtung Migros Take Away. Er hat keine Ahnung, was in dort erwarten würde, bestellt aber wie gefordert einen Kaffee zum Mitnehmen. Der Verkäufer reicht ihm dabei den Kaffee so ungeschickt über die Theke, dass ein Teil der schwarzen Brühe über den Rand schwappt und dem Käufer die Finger verbrennt. Fluchend hetzt dieser auf das Gleis, um noch den Anschlusszug nach Strassburg zu erwischen. Im Zug sitzend, beginnt er sich darauf zurückzubesinnen, wieso er überhaupt erst an einem Bahnhof 4.50 CHF für einen schwachen und wässrigen Kaffee ausgegeben hatte – etwas, was ihm normalerweise zutiefst widersteht. Er blickt auf den Becher und dort steht in grossen Lettern „CAFÉ ROYAL“. Da fällt es ihm wie Schuppen von den Augen.
Der grosse Tag ist gekommen. In Strasbourg drückt die Sonne durch die tief hängenden Wolken und lässt bei jedem Durchbruch die Köpfe der Strassburger wie Sonnenblumen in Richtung der runden Wärmequelle drehen. Der Schweizer verschwendet keine Zeit für diese blumenartige Sonnenanbetung, sondern schlägt den direktesten Weg in Richtung Kongressgebäude ein, die rote Krawatte unter seinem blauen Mantel versteckt tragend. Um 12:00 Uhr wird die Rede von Kronprinzessin Mary von Dänemark erwartet. Dann will er unbedingt im Saal sitzen, gemäss Kaffeeinformation darauf hoffend, irgendwie an seinen Memory-Stick zu gelangen. So verbringt er den Rest des Morgens damit, nervös auf seinem Stuhl zu sitzen und ist nicht fähig, sich auf seine eigentliche Arbeit zu konzentrieren.
Pünktlich zum Mittagsgong sitzt er auf seinem angestammten Sitzplatz im sogenannten Hémicycle. Die Kronprinzessin betritt unter Applaus den Saal und beginnt ihre Rede zur Verteidigung der Menschenrechte und zur Gleichheit der Menschen, unabhängig ihrer Ethnie, ihres Geschlechtes, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung. Nach 10 Minuten Ansprache fällt dem roten Krawattenträger auf, dass sein Display plötzlich eine neue Meldung anzeigt: „chaise, avant, centre“.
Etwas verdutzt realisiert er nicht sofort, um was es da eigentlich geht. Erst als die Nachricht wieder verschwunden ist, dämmert es ihm. Er beginnt sofort den Stuhl abzutasten. Nach kurzer Suche entdeckt er einen kleinen Schlitz im Polster und fasst hinein. Zum Vorschein kommt tatsächlich ein kleiner schwarzer Memory-Stick. Vor Aufregung und Freude über den Fund, hält er es keine Sekunde länger auf seinem Stuhl aus und stürmt aus dem Saal hinaus. Dabei stolpert er über den Rucksack eines Dänischen Medienschaffenden und kassiert dafür nicht nur einen wütenden Blick, sondern auch einige wohl kaum nett gemeinte Wörter. Dem Schweizer ist das alles egal. Er hat soeben sein Objekt der Begierde zurückerhalten und will es unbedingt ausprobieren.
Innerliche Jubelschreie erfüllen seinen Körper, als der Stick blau aufleuchtet und nach Eingabe des Passwortes der Zugriff auf den Laptop freigegeben wird.
Als erstes checkt er gleich das Intranet seines Unihockeyteams, um zu Lesen, wie der letzte Match ausging. Da erfüllt ihn ein zweiter Jubelschrei, welchen er diesmal aber nicht für sich behalten kann. In all den Emotionen fällt es im auch nicht weiter auf, dass der vorbeilaufende estnische Kollege bei seinem Anblick ein süffisantes Lächeln aufsetzt und weiterläuft, als hätte er nichts gesehen oder gehört.
Ad Astra Sarnen II – Floorball Uri 8:6 (2:0, 2:1, 4:5)
Dreifachhalle, Sarnen. 130 Zuschauer + 2 Hooligans. SR Segmüller/Schmidli.
Tore: 9. D. Schürmann 1:0. 15. R. von Wyl (M. Odermatt) 2:0. 24. S. Moser 2:1. 25. R. Christen 3:1. 28. M. Odermatt (R. von Wyl) 4:1. 42. S. Halter (R. Arnold) 4:2. 45. S. Riolfi (M. Müller) 4:3. 47. S. Halter (J. Renner) 4:4. 47. S. Riolfi (J. Bissig) 4:5. 53. R. Christen (L. Abächerli) 5:5. 55. J. Renner (F. Kempf) 5:6. 57. R. Isler (B. von Rotz) 6:6. 59. B. Huser (B. von Rotz) 7:6. 60. M. Furrer (B. von Rotz) 8:6.
Strafen: 1mal 2 Minuten gegen Sarnen. 2mal 2 Minuten gegen Uri.
Sarnen: Bucheli, S. von Wyl; Reber, Beroggi, Schäli, L. Abächerli, R. Isler, Arregger; Lengen, Furrer, Schürmann, R. von Wyl; von Rotz, Odermatt, Christen, Barmettler, Gerig, Huser, Küng, S. Abächerli
Uri: R. Arnold, Tresch, R. Imholz, M. Imholz, Kempf, Herger, Marx, Moser, U. Arnold, Waltert, Aschwanden, Weltert, Renner, M. Arnold, Müller, Schuler, Riolfi, Bissig, Halter